„Frisch von der Uni, mit einem gutem Abschluss in einem wirtschaftswissenschaftlichen oder technischem Studiengang? Solche Leute kommen gar nicht erst zu uns.“ In Gesprächen mit kleinen mittelständischen Unternehmen fallen solche Aussagen häufig. Im Wettbewerb mit großen Arbeitgebern scheint das Leistungspaket der „Kleinen“ kaum wahrgenommen zu werden. Sabbaticals, verschiedene Karrierewege, differenzierte Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Auslandsaufenthalte – das können nicht viele Mittelständler leisten und empfinden deshalb einen deutlichen Wettbewerbsnachteil auf der Suche nach qualifiziertem Nachwuchs und guten Auszubildenden.
Rekrutierung ist ein wichtiges Thema, aber trotzdem nur ein Baustein
Zugegeben, es ist auch ein Wettbewerbsnachteil. Aber trägt das reichhaltige Angebot an Weiterbildungen, Karrierewegen etc., das es in großen Unternehmen gibt, zur größeren Zufriedenheit der Mitarbeitenden bei? Die Gallup-Studien, die seit 2001 erhoben werden, sprechen eine andere Sprache. Auch in 2014 zeigte sich keine signifikante Veränderung beim Thema Mitarbeitermotivation und -bindung:
Es muss also noch andere, anscheinend wichtigere Dinge geben, die Mitarbeitende motivieren und dauerhaft an ein Unternehmen binden. Die Frage der Mitarbeiterbindung mit ihren verschiedenen Facetten ist ebenso wichtig wie die der Rekrutierung. Denn auf das Thema Arbeitgeber-Attraktivität zahlen viele Bausteine ein.
Machen Sie einen kleinen Selbsttest. Schauen Sie sich den Mitarbeiter-Lifecycle an und überlegen Sie, was Sie in Ihrem Unternehmen in den Segmenten Mitarbeiter-Integration, -entwicklung und auch in Trennungssituationen planvoll und strukturiert tun bzw. anbieten.
Es gibt beispielsweise fast immer Optimierungsmöglichkeiten im Onboarding-Prozess. Anders gefragt: Wie werden neue Kolleginnen und Kollegen integriert? Was passiert in der Zeit zwischen Vertragsunterzeichnung und Arbeitsantritt, in den ersten Wochen und während der gesamten Probezeit? Eigentlich eine einfache Sache, neue Leute gut einzuführen und in den ersten Monaten zu begleiten. Aber neben dem Tagesgeschäft wird es oft zu einer Mehrbelastung, die schnell mal zurück priorisiert wird.
Ähnlich verhält es sich mit regelmäßigen Mitarbeitergesprächen. Klar sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitenden. Aber wissen Sie wirklich, wie die Einzelnen auf ihren Aufgabenbereich schauen? Wie wohl sie sich im Team fühlen? Und habe ich als Mitarbeiter schon mal ein differenziertes Feedback von Ihnen zu meiner Arbeitsleistung und meinem Verhalten bekommen?
Am Ende des Tages geht es um Personalarbeit, die planvoll und strukturiert stattfindet. Das kostet finanzielle und vor allem zeitliche Ressourcen. Zeit für Führung ist der große Engpass in kleineren Unternehmen. Fast immer sind die Eigentümer auch im operativen Geschäft aktiv. Nicht selten geht ohne sie gar nichts. Personalarbeit bleibt dann auf der Strecke oder findet sehr punktuell statt. Mitarbeiterbindung entsteht durch Führungsarbeit, denn Menschen leisten dauerhaft für Menschen, nicht für eine Marke oder ein tolles Produkt.
Schon kleinere Maßnahmen können Einiges bewirken, z.B. wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. So hat die Firma Dornseif Winterdienst (ca. 40 Mitarbeitende) einen Home-Office-Koffer eingeführt, der ein Notebook, einen Drucker und Netzwerkkabel enthält. Alles für das Arbeiten von Zuhause, wenn es spontan erforderlich sein sollte, z. B. bei Erkrankung eines Kindes.
Lassen Sie sich von anderen Unternehmen inspirieren, indem Sie einen Blick auf die Homepages der Unternehmen werfen, die bei Wettbewerben wie „Top Job-Arbeitgeber“ oder „Great Place to work“ mitgemacht haben. Es gibt verschiedene Initiativen zur Förderung des deutschen Mittelstands, die Sie leicht im Internet finden. Warum sich nicht einem Netzwerk anschließen? Gemeinsam findet man bessere Ideen – und es muss ja nicht Ihr direkter Wettbewerber sein.
Arbeitgeber-Attraktivität entsteht durch die Summe vieler verschiedener Faktoren, was sich letztlich auch im Thema Rekrutierung niederschlägt. Vergessen Sie nicht die Menschen, die bereits für Sie arbeiten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in ihrem Bekannten und Freundeskreis, auf Facebook, Kununu und Jobvoting positiv über den eigenen Arbeitgeber sprechen, sind die beste und günstigste Empfehlung für Ihr Unternehmen.
Die eigentliche Frage beim Thema Rekrutierung ist doch, wann einem Bewerber nach den großen potenziellen Arbeitgebern der Name Ihres Unternehmens als interessante Alternative einfällt.