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Die Bedeutung von Online-Verfahren in der Personalauswahl hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Laut einer Studie von Cedar-Crestone nutzten im Jahr 2010 bereits 75% aller U.S.-amerikanischen Großunternehmen Online Assessments. In Deutschland liegt der Anteil Schätzungen zufolge bei ca. 50% – Tendenz steigend. Zu den üblichen Verdächtigen zählen dabei Online-Tests, -Fragebögen und -Interviews. Ganz neu und bisher erst von wenigen Unternehmen eingesetzt: zeitversetzte Video-Interviews.

Please introduce yourself to the camera!

In herkömmlichen Online-Interviews sitzen die Bewerberinnen und Bewerber ihren Interviewpartnern via Webcam virtuell und in Echtzeit gegenüber – bei zeitversetzten Interviews nicht. Denn dabei durchlaufen die Kandidatinnen und Kandidaten ein strukturiertes Interview ohne Gesprächspartner. Stattdessen werden ihnen schriftliche Fragen auf einer Online-Plattform gestellt, die sie mündlich beantworten müssen. Die Antworten werden von der Webcam aufgezeichnet und dem einstellenden Unternehmen zur Verfügung gestellt. Dort können sie von verschiedenen Personengruppen (Personal- und Fachabteilungen, Geschäftsführung etc.) angesehen und bewertet werden.

Im Praxis-Check: Was bringt’s?

Der grundsätzliche Vorteil von Online-Assessments besteht darin, dass sie weltweit ortsunabhängig durchgeführt werden können. Unternehmen ist es damit möglich internationale Bewerberinnen und Bewerber über geographische Grenzen hinweg mit vergleichsweise geringem Aufwand zu screenen. Der nun entscheidende Vorteil zeitversetzter gegenüber Live-Interviews liegt darin, dass die Bewerbenden auch zeitunabhängig vom rekrutierenden Unternehmen sind. Da es sich um ein vorprogrammiertes Tool handelt, bestimmt das Unternehmen lediglich den Zeitraum (z. B. eine Woche), in dem das Interview stattfinden soll. Wann genau die Bewerberin oder der Bewerber das Interview letztlich durchführt – morgens um neun oder nachts um drei – ist ganz allein ihre bzw. seine Entscheidung. Mit den zugesendeten Login-Daten kann sich jederzeit in das Online-Portal eingeloggt und mit dem Interview losgelegt werden.

Keine Termine, mehr Möglichkeiten

Aufwändige Terminkoordination und feste Interviewtermine sind dementsprechend nicht mehr notwendig. Durch die Aufzeichnung der Interviews haben Personaler die Möglichkeit, die Antworten der Kandidatinnen und Kandidaten mehrmals anzusehen und zwischendurch zu pausieren, um sich Notizen zu machen, einen wichtigen Anruf entgegen zu nehmen etc.. Zudem kann der Auswahlprozess für mehrere Personengruppen geöffnet werden. Sind es bisher Personaler und Führungskräfte, die über Einladung oder Absage entscheiden, können nun z. B. auch Teammitglieder einen Blick auf ihre potenzielle Kollegin oder Kollegen werfen und in die Entscheidung miteinbezogen werden.

Höhere Fairness und gut für das Firmenimage

Dadurch, dass die Interviews von mehreren Personen angeschaut und unabhängig voneinander bewertet werden können, kann zudem die Subjektivität verringert und die Fairness im Entscheidungsprozess erhöht werden. Auch aufgrund der Tatsache, dass alle Teilnehmenden absolut identische Interviewfragen erhalten, wird die Vergleichbarkeit für Personalverantwortliche erleichtert und der Prozess für die Kandidatinnen und Kandidaten fairer. In Umfragen erwähnten Teilnehmende zudem, dass sie das rekrutierende Unternehmen durch den Einsatz zeitversetzter Video-Interviews verstärkt als modern und digital wahrnehmen. Dementsprechend könnte das Verfahren auch im Sinne des Personalmarketings eingesetzt werden.

Die Kehrseite der Medaille

Das Kernmerkmal des Verfahrens, die Asynchronität, bedeutet jedoch auch, dass keine soziale Interaktion zwischen den Beteiligten möglich ist. Während die Unternehmen gezielte Auskünfte von den Bewerbenden erhalten, haben diese selbst nicht die Möglichkeit, Fragen zu stellen und ihren potenziellen Arbeitgeber näher kennenzulernen. Auch das Unternehmen selbst erhält durch den fehlenden persönlichen Kontakt weniger Informationen über die Bewerbenden, als es in einem Live-Interview der Fall wäre. Darüber hinaus sollte die Informationsbeschränkung durch den Bildausschnitt nicht unterschätzt werden: Sitzen Bewerbende vor der Webcam ihres Computers, ist lediglich ihr Kopf und ein Teil des Oberkörpers zu sehen. Für einen umfassenden Gesamteindruck braucht es jedoch mehr.

Der Kontext muss stimmen

Auf der einen Seite verspricht das Verfahren ein hohes Maß an Flexibilität, auf der anderen Seite hält es weniger Informationen als Live-Interviews bereit. Inwiefern also zeitversetzte Video-Interviews im Auswahlprozess sinnvoll sind, ist kontextabhängig. Als Ersatz für richtige Bewerbungsgespräche, in denen gegenseitiger Austausch und soziale Interaktion stattfinden, sollten sie nicht genutzt werden. Dienen sie jedoch der Vorselektion von Bewerbenden, als Schritt zwischen Sichtung schriftlicher Bewerbungsunterlagen und einem persönlichen Gespräch, können sie zur Verbesserung der Vorauswahl von internationalen Bewerberinnen und Bewerbern beitragen.

Was halten Sie von zeitversetzten Video-Interviews? Glauben Sie, dass sich diese Neuheit durchsetzen wird?

Wir freuen uns, von Ihnen zu hören!

Für weitere Informationen zu Personalauswahl und -beurteilung schauen Sie auch mal auf unserer Homepage vorbei!

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