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Michael Lorenz ist Gesellschafter und Geschäftsführer der grow.up. Managementberatung. In seinem Interview gibt er einen persönlichen Einblick in seine Beraterwelt. Herr Lorenz berichtet über seinen Werdegang, was er an Praktikanten schätzt und warum das Beratungsgeschäft niemals ein 9 to 5 Job für ihn war. Was sollen zukünftige Berater mitbringen? Womit verbringt ein Berater eigentlich seine (wenige) Freizeit? Auf all diese Fragen stand Herr Lorenz Rede und Antwort.

1. Michael, du hast Psychologie studiert. Viele haben wahrscheinlich Berufsbilder aus der klinischen Psychologie, wie z. B. das des Therapeuten vor Augen. Wieso bist du in die Unternehmensberatung gegangen?

Meine Kindheit war geprägt durch die Tätigkeit in der evangelischen Jugendarbeit, also offene Teestube bzw. spannende Pfingstfreizeiten mit 40 jungen Menschen. Im Laufe meiner Ausbildung habe ich ein – mich sehr prägendes – Praktikum in einer großen Psychiatrie absolviert und fand dort sehr spannend zu sehen, wie unterschiedliche Charaktere von Menschen zusammenarbeiten. Warum die Damen auf der Station A immer gut gelaunt und motiviert waren und die auf der Station B eher „Dienst nach Vorschrift“-orientiert. Die Assistentinnen in der Röntgenabteilung waren immer sehr hilfsbereit und die Damen im Labor empfanden alle Wünsche immer als Zumutung. Ich konnte mir damals noch nicht erklären, warum das so war. So habe ich aus Interesse an der Universität die Richtung Arbeits-, Berufs- und Organisationspsychologie eingeschlagen und zudem Betriebswirtschaftslehre studiert. Ein Glücksfall war zudem der Besuch eines Vortrages an der Universität, wo Menschen aus Unternehmen über ihren Arbeitsalltag berichteten. Ein Referent, der mich enorm faszinierte, berichtete aus seinem Alltag als Unternehmensberater. Das fand ich mehr als spannend. Jeden Tag unterschiedliche Typen von Menschen, Branchen, schnell wechselnde Themen, zeitnahe Problemlösungsfindung. Nach seinem Vortrag habe ich mich intuitiv bei ihm als Praktikant beworben. So bin ich zu Kienbaum nach Gummersbach gekommen, Walter Jochmann war mein Chef und späterer Kollege, ich habe in meinen ersten 10 Berufsjahren viel von ihm lernen können.

2. Was macht das Beraterdasein in deinen Augen interessant?

Das Beraterleben hat eine sehr erstrebenswerte Facette: Die Abwechslung. Seit gut 27 Jahren übe ich diesen Beruf aus und es war noch keinen Tag langweilig. Täglich neue Fragestellungen, immer neue Zielsetzungen, sich schnell verändernde Herausforderungen – wenig wiederholt sich. Ich kann heute mit vielen Berufsgattungen sprechen – Rechtsanwälten, Controllern, Luft- und Raumfahrtingenieuren oder mit Ärzten. Ich kenne ihre Themen, Sorgen und Nöte und trainiere sie in Führungs- und Mitarbeiterfragen, arbeite im Coaching an ihrer Karriere, der eigenen Positionierung im Unternehmen und der Teambildung. Ich begleite Unternehmen, ganze Bereiche oder Abteilungen in Veränderungs- und Neuorientierungsprozessen. Der Unternehmenstypus ist hier weniger relevant. Ich arbeite für große und kleine Unternehmen, für nachhaltige und weniger nachhaltige Unternehmen. Und die Essenz ist immer: Neuland. Keine Langeweile. Keine Routine. Keine Wiederholungen. Immer lernen wollen und müssen, sich und andere weiterentwickeln.

3. Gibt es auch Schattenseiten des Jobs?

Natürlich – wie in jedem anderen Job auch. Viele Menschen empfinden z. B. die viele Reiserei als Nachteil. Zeitlich gesehen ist dies auch eindeutig so. Als Mehrwert komme ich dafür viel herum und kann Eindrücke sammeln. Mein nördlichster Arbeitsort war Toronto und der südlichste Johannesburg. Mein östlichster Bali und mein westlichster Sao Paulo. Etwa ein Viertel meiner Arbeit spielt sich heute im Ausland ab. Ich bin sicher, dass es wichtig ist, eine Partnerschaft zu haben, die diese hohe zeitliche Belastung durch den Beruf mitträgt. Ich habe gelernt, Reise- und Bewegungszeiten in nützliche Zeiten zu verwandeln. Mein Informationsbedürfnis decke ich fast ausschließlich in diesen Zeiten. Sonst würde es in der Intensität nicht gehen, wie ich es seit 25 Jahren mache.

4. Wie motivierst du dich?

Menschen voran bringen oder wachsen lassen. Ich bin sehr zufrieden, wenn ich am Ende eines Tages das Gefühl habe, ich konnte meinem Kunden oder meinem Coachee wirklich helfen. Es ist ein schönes Gefühl, Teilnehmern im Training neue Einsichten zu geben, mit denen sie ihren beruflichen Alltag besser bestehen oder wahrnehmen können. Abwechslung macht Freude und befriedigt meine Neugier. Herausfinden, wie etwas geht und wie man es dann weiter verbessern kann.

5. Welche Eigenschaften sollten diejenigen haben, die darüber nachdenken, als Berater zu arbeiten?

Ich glaube, wenn jemand eine starke Lebenseinstellung der sogenannten Generation Y hat – (als ob es sie denn wirklich gibt und als ob eine Generation wirklich eine einheitliche Lebenseinstellung haben könnte) – dann könnte es in der Beratung Anlaufschwierigkeiten geben. Eine hohe zeitliche Belastung ist – will man in dem Beruf gut werden – eine Entscheidung, die man für sich selbst treffen muss. Beratung war für mich nie ein Job, den ich 2-3 Jahre ausübe, sondern schon früh eine Lebensaufgabe bzw. eine Profession. Ich ziehe viel von meiner Freude, meiner Anerkennung, der Bewunderung und meine Existenz daraus. Am Anfang, mittendrin und heute ist es immer noch eine vielschichtige, energiegeladene Arbeit. Für Kunden in Projekten in ganz unterschiedlichen Themen und Fragestellungen. Immer in hohem Tempo, kaum einmal in der Komfortzone. Trotzdem empfinde ich mein Leben keinesfalls als anstrengend. Ich habe eine langjährige Beziehung, habe Freunde und manchmal mehr, manchmal weniger Zeit mit ihnen und natürlich Hobbys, die mich fordern bzw. für Ausgleich sorgen.

6. Glaubst du, es ist zwingend nötig, Psychologie oder andere Fächer zu studieren, um in der Human Resources Beratung arbeiten zu können?

Nein, auf keinen Fall. Eine Kollegin ist zum Beispiel Germanistin, eine Betriebswirtin und einer Ingenieur. Psychologie zu studieren, hilft, wenn neue Verfahren, Fragebögen oder Tests entwickelt werden, hier vermittelt das Studium die entsprechenden Grundlagen. Die Arbeit mit Gruppen und einzelnen Menschen kann man aber auch erlernen, wenn man etwas ganz anderes studiert hat oder andere berufliche Erfahrungen in seinem Lebenslauf mitbringt.

7. Wieso legst du besonderen Wert darauf, Praktikanten bei grow.up. zu beschäftigen?

Ich habe als Praktikant damals bei Kienbaum angefangen und hatte einen guten Mentor, Josef Messing. In langen Autofahrten von und zum Kunden hat er mir viel über Beratungsdenke und Hintergründe von Projekten und Kundenbedürfnissen beigebracht. Im Laufe der Jahre hatte ich weit über 100 Praktikantinnen und Praktikanten. Eine große Anzahl ist heute erfolgreich in beraterischen Berufen, in der Personalentwicklung oder im HR Management tätig, zu vielen habe ich Kontakt. Ich halte ein Praktikum für eine gute Möglichkeit, ein späteres Berufsfeld kennenzulernen. Die Möglichkeit, die ich damals hatte, gebe ich immer noch gerne weiter.

8. Was muss eine Praktikantin / ein Praktikant mitbringen, um dich zu überzeugen?

Persönlicher Einsatz und Energie. Praktikanten müssen das Leuchten in den Augen haben. Sie müssen sich freuen über die Chancen und Herausforderungen des vor ihnen liegenden Berufsweges. Sie müssen selbstständig arbeiten wollen, eigene Ideen haben und sie auch selbstständig angehen, übrigens auch gegen mögliche Widerstände. In der Beratung haben Menschen Erfolg, die von etwas überzeugt sind und diese Überzeugung auch gegen Widerstände durchsetzen. Ich stelle mir bei Praktikanten und bei jungen Beratern immer auch die Frage: Wenn du ein langweiliges Projekt drei Wochen an einem langweiligen Ort machen müsstest, hättest du Spaß an ihm oder ihr? Hättest du Interesse, an den Abenden miteinander zu reden? Könntest du sie oder ihn zu einem wichtigen Kunden mitnehmen?

9. Wenn du grow.up. in drei Wörtern beschreiben müsstest, welche wären das?

Ehrlichkeit, Boutique, Herzblut.

10. Bitte nenne drei Charaktereigenschaften, die du besonders schätzt.

An mir oder an anderen Menschen?

An anderen: Geradlinigkeit, klare Werte, Tiefgang.

An mir: Offenheit, Belastbarkeit, Energie.

11. Bitte nenne drei Charaktereigenschaften, die du an Menschen gar nicht magst.

Arroganz, Faulheit, fehlende Demut.

12. Womit verbringst du deine Freizeit?

Ich habe nicht so viel Zeit, die man gewöhnlich als Freizeit bezeichnet. Mein Beruf ist auch oft Hobby. Ich wollte eigentlich immer Pilot werden. Das Leben hat mich woanders hingetragen (oder vielleicht hat auch nur der richtige Anstoß im entscheidenden Moment gefehlt). So habe ich dann irgendwann eine Privatpilotenlizenz gemacht. Ich liebe den Perspektivwechsel, die Verbindung aus Bewegung und Technik. Zudem fahre ich auch gern Motorrad – mit Blick für die Landschaft und die wechselnden Stimmungen. Und im Urlaub tauche ich gerne – auch hier wieder ein Besuch in einer anderen Welt. Alle drei Hobbys sind definitiv nicht kommunikativ. Mein kleines „Techniker-Ich“ braucht ein wenig Ausgleich zum sprechenden und schreibenden Beruf.

13. Wer ist dein Vorbild?

Ich habe einige Vorbilder, aber nur wenige sind berühmt. Ich hätte gerne Friedrich Schiller gekannt und wäre gern sein Freund gewesen. Ich weiß nicht, wie man auf solche unfassbaren Texte kommt, wie man so schreiben kann und ich hätte gerne Zeit mit ihm verbracht. Und von Bono hätte ich gerne Gitarre spielen und etwas über wildes Leben gelernt.

14. Welches ist dein Lieblingsbuch?

Immer das Buch, das ich gerade lese. Im Moment die Biographie von Leonhard Cohen. Ich mag seine Musik, seine Stimme und seine tiefgründige Traurigkeit. Die Asterix-Bücher. Die alten, die Goscinny und Uderzo noch zusammen erdacht und gestaltet haben. Seneca – Von der Kürze des Lebens. Ich habe es immer bei mir.

15. Hast du einen Lieblingsautor?

Martin Suter – ein scharfer Beobachter und Denker. Mit innerem Abstand und präziser Formulierungskunst. Harald Martensteins Bücher und Kolumnen: Wie böse – was für eine Freude. Zum tiefen Bewundern, Huldigen und Niederknien: William Shakespeare – Welch ein Psychologe. Was für ein Geist.

16. Welche Zeitschriften/Zeitungen hältst du für besonders empfehlenswert?

Brand eins. Ich schaff’s nur nicht, sie zu lesen. Aber man kann viele Artikel auf der Seite von brand eins nachlesen.

Für den Urlaub eine besondere Freude – Die Zeit: Wenn ich in Rente gehe (sollte ich irgendwann mal in Rente gehen ;-)) die erste Zeitschrift, die ich umgehend abonniere.

Für den Alltag: Die Süddeutsche Zeitung. Qualitätsjournalismus für den Lesealltag in Bahn & Flieger.

17. Auf welche drei Dinge kannst du auf keinen Fall verzichten?

Meine Frau – Sparringspartner, Anker im Leben und Soundingboard.

Mein iPhone – Facebook, um mit Menschen außerhalb des Berufs im Kontakt zu bleiben. Youtube, wenn ich lachen will und iTunes, wenn ich Musik brauche. Ein Leben ohne – inzwischen undenkbar.

Das Beste aber ist mein Nokia 6310. Ein seit vielen Jahren stabiler, unverwüstlicher sende- und empfangsstarker Begleiter durch meinen telefonischen Alltag. Nur Sonntags hat es Pause bzw. Ruhetag 🙂

Michael, vielen Dank für das Interview!

Möchten Sie weitere Informationen über Herrn Lorenz und über das grow.up. Team? Dann schauen Sie doch mal auf unserer Homepage vorbei!

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