Im Rahmen der Veröffentlichung des Buches "HR-Storytelling" hat Jannis Sträßer Jonathan Meier zu seinem Artikel "Kultur als roter Faden der Unternehmensgeschichte" interviewt:
Jonathan, du bist Personalleiter bei der C24 Bank GmbH und versuchst Mensch und Unternehmen in Einklang zu bringen und dabei eine Win-Win-Situation zu schaffen.
Wie würdest du deinen Berufsalltag in drei Worten zusammenfassen?
- Aufregend – Menschen sind keine Roboter sondern jeder sehr individuelle auf eigene Art und Weise, und deshalb passiert jeden Tag etwas anderes, Unerwartetes, Überraschendes.
- Abwechslungsreich – Ich darf in meiner Rolle ganz unterschiedliche Perspektiven einnehmen. Oft gehört dazu Menschen zusammenzubringen, die oft aus völlig unterschiedlichen Blickwinkeln die gleiche Situation unterschiedlich bewerten: bspw. die der Geschäftsführenden und die der individuellen Mitarbeitenden andererseits.
- Vermittlung – Es geht mir darum, Konsens und Integration zu schaffen, Verständnis zu fördern und Konflikte vorzubeugen oder zu lösen.
Du hast in dem Buch „HR-Storytelling“ einen Artikel geschrieben, wie Storytelling die Unternehmenskultur prägen kann. Was waren deine ersten Berührungspunkte mit Storytelling?
Meine ersten Erfahrungen mit Storytelling habe ich bereits in meiner Jugend gemacht, als ich als Handballtrainer für Kleinkinder (3-5 Jahre) tätig war. Ich habe festgestellt, dass es nicht nur auf den Inhalt ankommt, sondern darauf, wie man diesen Inhalt verpackt und ihm eine emotionale Form gibt. Wenn man eine Geschichte gut erzählt, sind Kinder voll dabei und hören gespannt zu.
Der zweite prägende Moment war während meines Studiums, als es das erste Mal um Motivationslehre ging. Hier habe ich gelernt, dass intrinsische Motivation stark davon abhängt, wie das Umfeld aussieht und ob man mit den Werten eines Unternehmens oder einer Idee in Einklang steht.
Im Berufsleben gab es dann einen weiteren „Aha-Moment“ während wir in einem Workshop die Unternehmenskultur kristallisierten. Unser Unternehmen ist sehr schnell gewachsen, und wir wollten sicherstellen, dass neue Mitarbeitende nicht angestellt werden und dann feststellten, dass sie doch nicht wirklich zum Unternehmen passen aus unterschiedlichen Gründen. Entsprechend haben wir versucht die Umsetzungsgeschwindigkeit des Unternehmens in Metaphern auszudrücken, zum Beispiel im Recruiting mithilfe einer Rakete oder einem schnellfahrenden Zug, auf den man aufspringen muss. Diese Metapher hat vielen geholfen, das Arbeitsumfeld besser zu verstehen und zu entscheiden, ob sie auf diesen Zug aufspringen wollen und das Tempo mitfahren möchten – um hier in dieser Bildsprache zu bleiben.
Wie nutzt du Storytelling jetzt in deinem Berufsalltag?
Ich sehe Storytelling als strategisches Instrument, um unsere Unternehmensziele zu vermitteln. Es hilft uns, eine klare Vorstellung davon zu bekommen, wo wir in zwei Jahren stehen wollen und welche Geschichten unsere Mitarbeiter dann erzählen sollen, durch die Erfahrungen, die sie gemacht haben. Durch gezieltes Einbauen von „Storypoints“ können wir die Unternehmenskultur aktiv lenken. Wichtig dabei ist, dass wir eine Balance zwischen Vision und Realität finden, damit keine unrealistischen Erwartungen entstehen.
Welche Chancen und Grenzen siehst du beim Storytelling?
Fangen wir mit den Grenzen an: Prinzipiell gibt es erstmal keine Grenzen. Man kann unendlich viel Kreativität und Fiktion einbringen. Doch bei der praktischen Umsetzung treten gewisse Herausforderungen auf – vor allem das klassische Sender-Empfänger-Problem. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass die Vision zu weit von der Realität aller Mitarbeiter entfernt sein könnte, was starke Enttäuschungen zur Folge haben können.
Die größte Chance von Storytelling liegt jedoch in der intrinsischen Motivation. Geschichten bieten eine hohe Identifikationsmöglichkeit. Darüber hinaus können Mitarbeitende auch selbst ihren eigenen Teil zu einer Unternehmensgeschichte beitragen. Das ist besonders relevant für die Generation Z und zukünftige Generationen, für die Engagement und Wirksamkeit eine große Rolle spielen.
Ein weiterer Vorteil von Storytelling ist der Multiplikator-Effekt: Wenn Mitarbeiter von ihren Erfahrungen erzählen, erreichen diese Geschichten eine größere Wirkung. Zum Beispiel: „xy ist ein tolles Unternehmen“ hat eine andere Wirkung als „Ich habe ein Unternehmen kennengelernt, das die Zukunft des Bankings gestaltet. Willst du daran mitwirken?“
Hast du ein Beispiel, wie Storytelling die Unternehmenskultur sichtbar machen kann?
Ich hatte die Gelegenheit, in verschiedene Unternehmen zu blicken, und dabei ist mir aufgefallen, wie sehr die Unternehmenskultur an den Geschichten erkennbar wird, die Mitarbeiter erzählen. Das können Geschichten über Vorbilder oder auch über negative Erfahrungen sein. Noch klarer wird es, wenn Mitarbeiter darüber sprechen, wie sie das Unternehmen gegenüber Externen beschreiben – das zeigt, wie gesund die Unternehmenskultur wirklich ist. Die Gesundheit der Kultur lässt sich schon an den Geschichten, die die Mitarbeitenden erzählen, erkennen.
Employer Branding spielt ebenfalls eine große Rolle. Durch klare, emotionale Bilder und Erzählungen lässt sich die Kultur eines Unternehmens sichtbar machen. Auch das Verhalten von Führungskräften prägt die Kultur: Vorbild schafft Kultur – und damit auch Verhaltensänderungen.
Wir haben zum Beispiel einen Leitlinien-Award eingeführt. Mitarbeitende können sich dabei mit ihren Projekten bewerben, die auf eine bestimmte Leitlinie einzahlen. Hier entstehen Geschichten, die die Leitlinien mit Leben füllen.
Warum ist Storytelling für Unternehmen wichtig?
Leider wird „Geschichten erzählen“ oft als etwas für Kinder oder für kreative Menschen abgetan. Doch Storytelling zeigt, wie wichtig es für Unternehmen ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Es ist ein unverzichtbares Werkzeug, um sich im Wettbewerb um Talente zu positionieren und eine Unternehmenskultur zu schaffen, in die Mitarbeitende aktiv eingebunden werden.
Wichtig ist, Storytelling nicht nur als kreative Nische in einzelnen Abteilungen zu sehen, sondern als strategisches Instrument, das das gesamte Unternehmen durchzieht. Das Buch „HR-Storytelling“ bietet dazu eine wertvolle Diskussionsgrundlage.
Vielen Dank, Jonathan, für deine Einblicke!
Den ganzen Artikel "Kultur als roter Faden der Unternehmensgeschichte" von Jonathan Meier gibt es in dem Buch „HR-Storytelling“ zu lesen.