Titelbild "Erzwungene Work-Life Balance"
Work-Life Balance – Müssen wir zum „Glück“ gezwungen werden?
Juni 28, 2016
Kommunikationsmittel FRAGEN – So gelingt Ihnen jedes Gespräch
Juli 7, 2016

Kategorien:

Schlagwörter:

„Alle sind dagegen, ich bin dafür.“

Warum es nicht immer sinnvoll ist, das zu tun, was alle tun

Wie oft passen wir uns eigentlich anderen Menschen an? Wie oft richten wir uns eigentlich eher nach den Meinungen und Einstellungen von anderen, als nach unseren eigenen? Wie oft entscheiden wir uns eigentlich dafür, die Dinge so zu tun, wie es alle tun? Ich glaube öfter, als wir denken.

Die Mehrheit hat Recht – Das Schwimmen mit dem Strom

Wenn die Mehrheit von Personen einer bestimmten Meinung ist, gehen wir oft – auch ohne dies zu hinterfragen – davon aus, dass diese schon richtig sein wird.

Auf der einen Seite erspart uns dieses Vorgehen kognitive Arbeit und Zeit, denn wir haben schlicht weg nicht stets die zeitliche Kapazität, die wir bräuchten, um jede Annahme kritisch zu prüfen und uns einen genaueren – unseren eigenen –  Eindruck über den Sachverhalt zu machen und eine Meinung zu bilden. Auf der anderen Seite schützen wir uns durch die Übernahme der Mehrheitsmeinung vor Anfechtungen, Kritik oder Ablehnung unserer eigenen Meinung. Vielleicht haben wir also manchmal einfach nicht den Mut zu sagen, dass wir Dinge anders sehen oder handhaben würden – denn aus der Reihe tanzen ist ziemlich auffällig und für die meisten Menschen unangenehm und gegen den Strom zu schwimmen ist natürlich anstrengender als mit ihm.

Ich und der Einfluss der Gruppe

In der Gruppenpsychologie spricht man von Konformität, wenn einzelne Personen oder Subgruppen ihr Verhalten in Richtung der Gruppennorm, d. h. den gruppenspezifischen Meinungen, Erwartungen, Urteilen und Einstellungen,  anpassen. Jede Gruppe (ab drei Personen), egal ob es sich dabei um die Sportgruppe, die Clique, die Arbeits- oder Projektgruppe handelt, bildet ihre eigenen gruppenspezifischen Normen aus, denen wir als Gruppenmitglieder meist unbewusst Folge leisten. Das ist ein ganz natürlicher Gruppenprozess und unerlässlich für die soziale Interaktion. Mit den Normen einher geht jedoch auch der Druck, sich diesen entsprechend zu verhalten, der Konformitätsdruck oder auch Gruppenzwang. Dabei wirken zwei Haupteinflussquellen zusammen: der normative (das Bedürfnis akzeptiert zu werden) und informative soziale (andere Menschen werden als Informationsquelle für unser Verhalten angesehen) Einfluss. Wie Sie sich vorstellen können, macht es dieses Zusammenspiel also nicht immer leicht, zu seiner eigenen Meinung oder Idee zu stehen.

Aus Unsicherheit, dem Bedürfnis nach Harmonie oder mangelndem Selbstvertrauen – um nur einige Gründe zu nennen – übernehmen wir gerne mal die Meinungen von anderen, obwohl wir hin und wieder eine andere vertreten. Obwohl uns unsere Idee oder unsere Meinung regelrecht auf der Zunge brennt, kommt sie uns nicht über die Lippen.  In manchen Situationen ärgern wir uns im Nachhinein sogar darüber und fragen uns: „Warum hab ich denn jetzt nichts gesagt?“. Der Konformitätsdruck kann uns einfach die Sprache verschlagen – schade, denn vielleicht wäre unsere Meinung oder Idee von Nutzen gewesen.

Die Mehrheit hat nicht immer Recht – Also schwimmen Sie auch mal gegen den Strom

„Das machen doch alle so!“ Die Annahme, dass eine Vorgehensweise oder Meinung immer richtig ist, weil sie von der Mehrheit geteilt wird, ist ein Fehlschluss (Popularitätsfehlschluss). Auch die Annahme, dass etwas richtig oder optimal ist, weil es schon immer so gemacht wurde oder weil die Meinung oder Handlungsempfehlung  von einem Experten oder einer Expertin stammt, ist ein Fehlschluss (Fehlschluss der Wiederholung und Expertenfehlschluss). Natürlich können Annahmen, Meinungen, Vorgehensweisen, Handlungsempfehlungen etc. von der Mehrheit, von Experten/innen oder solche, die häufig angewendet werden richtig, gut oder optimal sein – müssen sie aber nicht. Dessen sollte man sich unbedingt bewusst werden, wenn man sich in der Überlegung befindet, ob man seine eigene Ansicht oder seinen Vorschlag  verkünden soll oder nicht.

Wir sollten also öfter einmal mutig sein und uns trauen, unsere konträre Meinung darzulegen – vielleicht ist sie falsch, aber dann haben wir durch die Argumente der anderen dazu gelernt. Vielleicht ist sie aber auch richtig, besser, zielführender, innovativer oder einfach nur anders aber durchaus ok.

Ich finde es fatal, wenn wir nicht unsere eigene Meinung vertreten, obwohl sie uns auf der Zunge brennt, sondern einfach dem Druck der Gruppe nachgeben.  Auf diese Art  werden wir keine großen Veränderungen erwarten können – denn wenn alle das Gleiche tun, tun eben alle das Gleiche.

Somit könnte man sagen:

„Wenn alle dasselbe tun, ist es klug, etwas anderes zu tun.“ – Michael Lorenz

Dieser Satz, welchen ich aus einer Trainingsbegleitung mitgenommen habe, hat mich zum Nachdenken angeregt und zu diesem Text inspiriert. In meinen Augen soll er nicht dazu auffordern, permanent das Gegenteil von dem zu tun, was alle anderen tun, sondern ich sehe ihn als Ermutigung, in passenden Situationen auch mal andere Herangehensweisen oder Meinungen vorzuschlagen und zu vertreten.

In diesem Sinne ist es egal ob alle anderen dagegen sind. Wenn Sie von Ihrer Meinung überzeugt sind, trauen Sie sich und seien Sie dafür!


Diesen Beitrag hat Jessica Drescher während ihres Praktikums bei grow.up. verfasst.

Artikel teilen