Industrie 4.0, intelligente Maschinen, Generation X & Y – die Arbeitswelt steckt in einem tiefgreifenden Wandel. Bisher wurden Führungskräfte häufig aufgrund ihrer fachlichen Expertise eingesetzt. Die Trends, die sich für Unternehmen abzeichnen, verlangen allerdings nach anderen Qualitäten. Höchste Zeit, sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen!
Höher, schneller, weiter
Neugier und der Drang, Neues zu entwickeln, liegen in der Natur des Menschen. Insbesondere die letzten Jahre haben das eindrucksvoll bewiesen. Noch nie gab es in so kurzen zeitlichen Abständen eine derartig große Anzahl an bahnbrechenden Erfindungen.
Trends entstehen rasant und genauso rasant müssen Unternehmen reagieren, wenn sie am Markt fortbestehen wollen. Insbesondere die Digitalisierung bewirkt eine sich schnell verändernde Unternehmensumwelt, auf die Führungskräfte vorbereitet sein müssen.
Die VUCA-Faktoren
Ende der 1990er Jahre prägte das US-Militär den Begriff VUCA. Auf Unternehmen übertragen, zeigt es die Bedeutung schnell lernender und anpassungsfähiger Organisationen. Im Einzelnen bedeutet VUCA:
Volatility (Unberechenbarkeit)
Häufige und schnelle Veränderungen erfordern ein detailliertes Risikomanagement und eine eindeutige und unmissverständliche Kommunikation unter Führungskräften.
Uncertainty (Ungewissheit)
Informationen über zukünftige Veränderungen fehlen häufig. Daher können Situationen nur ungenau vorhergesagt und eingeschätzt werden. Die Ungewissheit verlangt nach einer hohen Flexibilität im Denken und Handeln von Führungskräften.
Complexity (Komplexität)
Die steigende Fülle und Komplexität der Systeme und Informationen machen es nahezu unmöglich, alle wichtigen Faktoren im Einzelnen zu kennen und zu bedenken. Insbesondere die Ausbildung und der Einsatz von Experten, die die Informationen handhabbar und überschaubar machen, werden unumgänglich.
Ambiguity (Mehrdeutigkeit)
Informationen sind häufig mehrdeutig, wodurch Ursache-Wirkung-Beziehungen verschwimmen und das Risiko von Fehlentscheidungen steigt. Führungskräfte müssen vermehrt Risiken auf sich nehmen, um keinen Stillstand zu verursachen, und beginnen, abseits bekannter Pfade zu denken.
Wenn auch in unterschiedlichem Maße, haben die VUCA-Effekte Einfluss auf alle Unternehmen. Betrachten wir hierzu noch die relevanten Themen von morgen (Industrie 4.0, unterschiedliche Ansprüche der Generationen, Individualisierung, Flexibilisierung etc.), wird deutlich, dass ein Umdenken des bisherigen Führungsverständnisses wichtig und notwendig ist. Da Unternehmen nur so schnell reagieren können wie ihre Führungskräfte und Mitarbeiter, geht der Trend hin zur agilen Führung.
Was ist agile Führung?
Agilität bedeutet Beweglichkeit und Flexibilität. Eine dynamische Führung kann schneller auf Veränderungen reagieren und sich neuen Situationen anpassen. Klassische Hierarchien werden mit Hilfe von agiler Führung abgeschafft. Mitarbeitende, die bisher hauptsächlich für die Geschäftsführung gearbeitet haben, arbeiten näher am und für den Kunden. Um die Prozesse flacher und schneller zu gestalten, werden ihnen größere Entscheidungsspielräume gegeben. Auch disziplinarische Aufgaben, wie z. B. die Urlaubs- oder Budgetplanung werden häufiger den Teams selbst überlassen. Die steigende Autonomie bewirkt, dass starre Zielvorgaben und Kontrollsysteme überflüssig werden. Die Mitarbeitenden organisieren sich und ihre Ziele überwiegend eigenständig. Das Einsetzen von Experten nimmt Führungskräften zudem die fachliche Autorität.
Werden Führungskräfte dann überhaupt noch gebraucht?
Ja, allerdings mit einem veränderten Rollenverständnis. Die Führungskraft von morgen wird zum Coach, Enabler und Sparringspartner für seine Mitarbeitenden. Sie schafft die notwendigen Infrastrukturen, die eine reibungslose Kommunikation und Zusammenarbeit innerhalb und zwischen den Teams ermöglichen. Agile Führungskräfte arbeiten sehr mitarbeiterorientiert. Themen wie Feedbackgespräche und individuelle Karriere- und Entwicklungsplanungen lösen Zielvereinbarungsgespräche und Kontrollinstrumente ab.[pullquote]Die Führungskraft muss sich als Coach für die Mitarbeitenden verstehen.[/pullquote] Sie sehen ihre Mitarbeitenden als Gestalter und nicht mehr nur als reine Umsetzer. Mitarbeitergespräche werden wie Coachings gestaltet, in denen die Führungskraft die Mitarbeitenden unterstützt und ihnen dabei hilft den richtigen Weg zu finden. Sie muss Rahmenbedingungen schaffen, die ein selbstständiges Arbeiten der Teams möglich machen. Somit gestaltet sie aktiv die Unternehmenskultur mit. Zudem beeinflussen agile Führungskräfte Visionen und Strategien der gesamten Organisation, während sie sich weitgehend aus operativen Entscheidungen heraushalten. Wirtschaftliches Denken und Handeln sind also nach wie vor wichtige Eigenschaften und werden durch Trendorientierung und Risikomanagement ergänzt.
Der Praxistest
In der Theorie klingt das immer sehr gut. Aber wie praktikabel ist das Modell der agilen Führung wirklich? Natürlich entspricht das oben Beschriebene dem Idealbild einer agilen Führungskraft. In der Praxis wird es nicht immer möglich sein, den Mitarbeitenden Freiräume zu geben und ihnen wichtige Entscheidungen zu überlassen. Aber agil bedeutet eben hauptsächlich, beweglich und anpassungsfähig zu sein. Das beinhaltet auch das eigene Verhalten an die Fähigkeiten der Mitarbeitenden anzupassen. Nicht jeder möchte die größtmögliche Freiheit haben. Viele fühlen sich sicherer, wenn Prozesse und Arbeitsaufgaben vordefiniert und vorstrukturiert sind, denn Freiräume können auch beängstigend und lähmend sein. Führungskräfte sollten auf ihre Mitarbeitenden eingehen und mit ihnen gemeinsam den richtigen Weg wählen. Nichtsdestotrotz bietet agile Führung viele Chancen, die Innovationen fördern und kann auf jeden Fall als eine mögliche Antwort auf die Schnelllebigkeit der Trends und Entwicklungen gesehen werden.