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In den letzten Wochen habe ich viele Veranstaltungen mit einer vergleichsweise jungen Teilnehmerschaft begleitet. In allen Trainings und Workshops – für DoktorandInnen, Master-StudentInnen oder Jung-BeraterInnen – spielte das Thema Feedback eine besondere Rolle. „Mehr davon!“, war der Tenor. Mehr davon, um persönlich wachsen zu können und mehr davon, um als Team besser zusammenzuarbeiten. Jenseits aller Generationen-Schubladen – diesen Ruf nach Mehr höre ich derzeit an vielen Stellen; bei Führungskräften und Kollegen findet er jedoch längst nicht überall Anklang. Hierfür gibt es zahlreiche Gründe: als starr und bürokratisch erlebte Feedback-Prozesse, die es irgendwie zu erledigen gilt, schmerzhafte Erfahrungen mit Feedbackgebern, die urteilen statt unterstützen, sowie das eigene Unbehagen, Kritisches offen anzusprechen, sind nur einige davon.

Auch wenn ich all diese Gründe persönlich erlebt habe: Ich glaube an die positive Kraft von Feedback.

Dadurch, dass andere uns Eindrücke von uns spiegeln, die wir von uns selber nicht haben können, gibt Feedback uns die Chance, unseren blinden Flecken Konturen zu geben. Und im Miteinander ist Feedback (=Rückkopplung) ein guter Weg – vielleicht der Beste – unterschiedliche Bedürfnisse transparent zu machen. Dabei gibt es viele Ansätze, wie sich eine Organisation dem Thema Feedback annähern kann. Weit verbreitet ist, mit den Führungskräften und deren Feedback-Kompetenz zu beginnen. Ein paar grundsätzliche Erkenntnisse dazu finden Sie in unserem Booklet Feedbackkompetenz für Führungskräfte.

Um Feedback den Charakter der Beurteilung durch einen Vorgesetzten zu nehmen und es zu einem natürlichen Bestandteil des Miteinanderarbeitens aller werden zu lassen, können Sie jedoch auch damit beginnen, mehr Offenheit in Ihrem Team anzuregen, indem Sie regelmäßig Ihre Arbeitsweise in den Fokus für Feedback nehmen. Dazu möchte ich Ihnen heute die Methode der Retrospektive vorstellen.

Die Retrospektive ist ein fester Bestandteil der SCRUM-Methode, einer agilen Vorgehensweise des Produkt- und Projektmanagements, der auch außerhalb von SCRUM gut genutzt werden kann. Ziel der Retrospektive ist, die Zusammenarbeit und Arbeitsweise eines Teams nach einem Arbeitsabschnitt (im SCRUM der Sprint) zu reflektieren und daraus konkrete Verbesserungen für die Zukunft abzuleiten. Im Gegensatz zu offenen Runden à la „Jeder sagt jetzt mal, was er denkt und dann schaun wir weiter“ gibt es klare Strukturen für die Gestaltung einer Retrospektive, die von vielen als hilfreich empfunden werden, um den Umgang mit offenerem Feedback zu erlernen. Eine Retrospektive besteht aus 6 Schritten:

  1. Intro: In der Eröffnungsphase werden die drei allgemeinen Regeln für die Retrospektive vorgestellt. Diese stammen aus dem SCRUM-Regelwerk und legen die Grundlage für eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit.
    1) Die oberste Direktive: Was auch immer wir entdecken, wir verständigen uns darauf, und sind fest davon überzeugt, dass alle den besten Job gemacht haben, den sie konnten.
    2) Die Vegas-Regel (Vertraulichkeitsregel): Was in Vegas passiert ist, bleibt in Vegas.
    3) Das Time-Boxing: jeder Abschnitt der Retrospektive bekommt im Vorhinein eine feste Dauer zugewiesen und an diese wird sich in jedem Fall gehalten.
  2. Check-In: Zu Beginn werden kurz die Erwartungen aller Teilnehmer abgefragt, um alle auf das gemeinsame Arbeiten einzustimmen.
  3. Daten sammeln: In dieser Phase erfolgt das Feedback aller Teilnehmer. Ziel ist, möglichst viele Eindrücke zur konkreten Fragestellung der Retrospektive zu sammeln. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass alle Teilnehmer ihre Gedanken zu den folgenden Fragestellungen im Raum visualisieren:
    – Was wollen wir beibehalten? (Keep doing)
    – Womit wollen wir aufhören? (Stop doing)
    – Womit wollen wir beginnen? (Start doing)
    Hilfreich an dieser Vorgehensweise ist, dass alle Mitarbeiter gleichzeitig ihre Rückmeldung geben. Zudem werden positive wie kritische Aspekte gleichermaßen beleuchtet, so dass Feedback zur Gelegenheit für Verbesserung und Lob wird.
  4. Hintergründe ansehen: In diesem Schritt geht es darum, die Teilnehmer-Rückmeldungen zu verstehen, aber nicht, sie auszudiskutieren. Die Teilnehmer schauen gemeinsam auf die Nennungen und stellen Verständnisfragen mit dem Ziel, die Rückmeldungen der anderen nachvollziehen und in den Kontext einordnen zu können.
  5. Entscheiden, was zu tun ist: Nun gilt es, aus den Nennungen eine überschaubare und bewältigbare Anzahl von konkreten Maßnahmen herauszuarbeiten und verbindlich zu vereinbaren.
  6. Check-out: Zum Abschluss wird ein kurzes Stimmungsbild zur Retrospektive aufgenommen.

Wichtige Voraussetzung für eine gelungene Retrospektive ist, einen klaren, möglichst konkreten Bezugsrahmen zu haben. So können in einer Retrospektive die Zusammenarbeit in einem Projekt-/Zeitabschnitt oder eine spezielle Arbeitsweise im Team betrachtet werden, etwa: wir blicken auf die Gestaltung unserer Meetings oder auf die Durchführung unserer Telefonkonferenzen oder die Art und Weise wie unsere Abstimmungen im Kundenprojekt XY in den letzten Wochen gelaufen sind. Hier noch einige wichtige Hinweise, wenn Sie mit Retrospektiven arbeiten wollen:

  • Machen Sie vorab transparent, warum Sie sich entschlossen haben, mit der Retrospektive zu arbeiten. Erklären Sie beispielsweise, warum es Ihnen wichtig ist, am Thema Offenheit und Feedback zu arbeiten.
  • Halten Sie sich an die vorgegebene Struktur und das Time-Boxing – auch wenn es am Anfang möglicherweise schwerfällt.
  • Geben Sie Ihrem Team Zeit zu üben. Am Anfang mögen Sie den Prozess als schwerfällig und die Ergebnisse als oberflächlich erleben – hier braucht es möglicherweise einen langen Atem.
  • Sorgen Sie für Nachhaltigkeit. Übernehmen Sie einen Teil der Verantwortung dafür, dass Vereinbarungen aus der Retrospektive umgesetzt werden. Fangen Sie nur damit an, wenn Sie bereit sind, Veränderungen mitzugehen.
  • Weitere Anregungen zur Gestaltung von Retrospektiven finden Sie hier.

Über Feedback zu diesem Beitrag freut sich
Kristina van Dawen


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