Selbstgesteuerte Teams sind keine Selbstläufer – 2/2
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Auf einer Reise durch Spanien verschlug es mich kürzlich nach Girona. In der quirligen, bunten Stadt am Fluss Onyar waren überall Zeichen des Unabhängigkeitsstrebens Kataloniens sowie gelbe Schleifen als Solidaritätsbekundungen mit den geflohenen oder inhaftierten katalanischen Ministern zu sehen. Eine Hochburg der Separatisten, schien mir – eigentlich kein Wunder, so war doch Carles Puigdemont vor seiner Zeit als Präsident der Generalitat de Catalunya Bürgermeister von Girona. So weit, so gut. Alle meine, höchst laienhaften, Vorstellungen von der Lage in Katalonien sahen sich bestätigt.

Doch dann geschah Folgendes: es war der Abend des Champions League Finales, in dem Real Madrid das Team aus Liverpool besiegen sollte. Madrid, Spanien, uninteressant, dachte ich. Weit gefehlt. Beim ersten Tor der Spanier ließ unser Kellner vor Begeisterung die Arbeit ruhen. Und auch der weitere Spielverlauf sowie der Sieg der Spanier wurden in der Stadt an vielen Stellen gefeiert und mit Hupkonzerten und Feuerwerk honoriert.

Hm, seltsam, wie geht das denn – war meine erste Reaktion. Doch dann erwachte das Berater-Hirn aus seinem Urlaubsmodus. War das Erlebte nicht vielmehr Ausdruck dessen, was uns im Arbeitsalltag so häufig begegnet – der Ambivalenz zwischen zwei eigentlich widersprüchlichen Positionen? Ambivalenz, so Wikipedia, bezeichnet einen Zustand psychischer Zerrissenheit. Mir scheint, dass dieses Sich-zwischen-den-Stühlen-Fühlen in Zeiten von Transformation und ungewisser Zukunft besonders häufig in uns wirkt. Denken wir nur an das, was in vielen Organisationen derzeit zu beobachten ist: Selbstgesteuerte Teams? Toll! Aber möge bitte jemand anders die Verantwortung übernehmen? Oder: agile, kreative Arbeitsformen? Super. Aber mein Einzelbüro, in dem seit Jahren meine Grünpflanzen prächtig gedeihen, gebe ich nicht her. Das Schwanken zwischen Alt und Neu, Komfortzone und Weiterentwicklung, einerseits und andererseits ist hier ein bekannter Begleiter, gerade in Phasen des Umbruchs.

Es gehört zu guter (Selbst-)Führung, sich diesen Ambivalenzen zu stellen und einen zielführenden Umgang damit zu entwickeln. Denn zu viel der Spannung kann Veränderungsprozesse lähmen und Menschen zermürben. Manchmal, so dachte ich mir an jenem lauen Frühsommerabend, ist es aber auch legitim und entspannt, das Beste von beiden Welten zu wollen. Vielleicht verstehe ich aber auch einfach nichts von Fußball.

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