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Neulich war ich das erste Mal bei einem Handball-Bundesligaspiel. Welche Vereine gespielt haben, ist hier unerheblich, was nicht heißen soll, dass ich davon ausgehe, dass das, was mich am Rande des Spiels berührt hat, für alle Handballvereine gilt. Das wäre eine unzulässige Unterstellung. Aber darum geht es auch gar nicht.

Was mich berührt oder besser sehr betroffen gemacht hat, ist eher ein verbreitetes gesellschaftliches Phänomen, dem ich auch – wenn auch in anderer Form – an vielen anderen Stellen sehr direkt oder eher subtil begegne. Es geht um die Stellung und Bedeutung, die uns Frauen in der Gesellschaft zugeschrieben wird.

Auf den ersten Blick ist es heute so, dass wir Frauen in allen Positionen finden. In oberen nicht in gleicher Anzahl wie in unteren Positionen, aber wir haben immerhin seit Jahren eine Bundeskanzlerin und andere Frauen, die mit ihren Kompetenzen, ihrem Wissen und ihren Leistungen für Wirtschaft und Gesellschaft mit beiden Beinen fest in ihren Positionen stehen und sich täglich dort behaupten. Was „sich dort behaupten“ alles bedeutet, will ich an dieser Stelle nicht diskutieren. Viele Frauen wissen es nur allzu gut.

Aber zurück zum Handballspiel. Die Arena war ausverkauft. Das Publikum bunt durchmischt. Von sehr jung bis älter, Frauen und Männer. Optisch war es bunt und gleichverteilt. Vom reinen Augenschein genauso viele weibliche wie männliche Fans.

Anders sah es vor und während des Spiels auf dem Spielfeld und am Rande des Spielfelds aus. Nebenbei, es spielte eine Herrenmannschaft. Offensichtlich war, dass alle Menschen, die etwas mehr oder weniger Wichtiges zu tun hatten, Männer waren, sie waren eindeutig überrepräsentiert. Aber dann kamen doch tatsächlich noch einige Frauen, denen auch Aufgaben rund um das Spiel übertragen waren.

So gab es z. B. eine Frau, die dem Kameramann das Kabel getragen hat. Ok, vielleicht gibt es nicht so viele Kamerafrauen im Sport. Das könnte ich mir sogar noch vorstellen. Sie lief dem Kameramann immer hinterher, damit er genug Kabel hatte. Ja, und dann gab es vier weitere Frauen und deren Aufmachung und Job haben mich wirklich berührt. Ich konnte das unglaubliche Geschehen nur fassungslos beobachten – so viele Rollenklischees auf einmal fand ich wirklich schwer auszuhalten.

Die jungen Frauen hatten eine wichtige Aufgabe bekommen. Ausgestattet mit einem Wischmopp durften sie den Schweiß der Handballhelden vom Spielfeld wischen. Das alleine ist vielleicht noch nicht verwerflich. Vielleicht beherrschen Frauen die Kunst des Bodenwischens ja tatsächlich besser als Männer? Dennoch wurden hier sehr eindeutig alle klassischen Rollenklischees perfekt bedient. Die Krönung fand die Aufgabe im Outfit, in welches die jungen Frauen sich hatten stecken lassen. Ich sage ganz bewusst „hatten stecken lassen“, denn sie hätten sich ja auch weigern können.

Die vier jungen Mädchen oder Frauen trugen alle ein bauchfreies weißes Shirt und einen weißen, recht kurzen Minirock. Hübsch anzusehen, die jungen Frauen mit nackten Bäuchen und Beinen. Gesponsert war die Kleidung offensichtlich von Orion (Erotikmarke). Der Schriftzug der Firma war vorne und hinten auf dem Shirt, an den Seiten der Röcke und unübersehbar groß auf dem Po der Frauen platziert.

Dieses Gesamtbild vereint für mich alle Rollenklischees, die in unserer Gesellschaft und auch im Berufsleben Tag für Tag unsere Werte und unsere Haltung zur Gleichberechtigung immer noch repräsentieren.

Hübsch anzusehen und gleichzeitig für mich wirklich diskriminierend, leider auch sexistisch, wenn die jungen Frauen zwischendurch mit ihrem Wischmopp auf das Spielfeld liefen, die Röckchen mit dem Orion Schriftzug auf dem Po beim Laufen schön wippten und sie den Schweiß der Handballhelden wegwischen durften. Dabei wurde ihnen selbstverständlich von den Männern gezeigt, wo noch etwas trocken zu wischen war.

Ich kann mir sogar vorstellen, dass die jungen Frauen nichts Negatives dabei empfanden, wenn sie wirkliche Fans oder vielleicht auch Mitgliederinnen des Vereins sind. Vielleicht waren sie sogar stolz darauf, eine Aufgabe im Rahmen des wichtigen Spiels wahrnehmen zu dürfen. Ich weiß auch von meinen jungen Mitarbeiterinnen, dass sie sich völlig gleichberechtigt fühlen und im Alltag vorhandene Diskriminierung nicht wahrnehmen. Nur ist für mich das Erlebte der klare Ausdruck davon, dass wir von Gleichberechtigung oder besser noch tatsächlicher Augenhöhe noch weit entfernt sind.

Die erste Gleichberechtigungsbewegung gab es Ende des 17. Jahrhunderts, die erste große Welle der Frauenbewegung Mitte des 19. Jahrhunderts. Sollten wir in unseren Köpfen die Diskriminierung von Frauen nicht endlich wirklich ad acta legen? Wenn wir diese Denk- und Einstellungsleistung nicht hinbekommen, ganz ehrlich, wie wollen wir dann die ganzen Herausforderungen, die die Zukunft uns noch zu bieten hat, bewältigen? Hier werden Männer und Frauen in gleichem Maße gebraucht. Und Achtung, das ist kein Problem bestimmter Gesellschaftsgruppen. Ich kann durchaus behaupten, mich in einem gut gebildeten und intellektuellen Umfeld zu bewegen. Aber auch hier kenne ich die Sprüche über die unerträglichen Hormonschwankungen von Frauen, deren mangelnde Leistungsfähigkeit und die Freude der Männer, anstatt mit Frauen mit „richtigen Männern“ zusammenzuarbeiten. Das sind oft kleine Bemerkungen z. B. in Seminaren und Workshops, die aber doch eine eindeutige Aussage haben. Und im Vorstand des Handballvereins sind sicherlich auch gut gebildete, sich selbst als modern und aufgeschlossen bezeichnende Herren.

In der Frage der „Gleichwertigkeit“ sind nicht nur Männer gefordert, ihr Frauenbild entsprechend der realen Leistungen, mit denen Frauen Wirtschaft und Gesellschaft unterstützen, zu überdenken. Frauen, auch junge Frauen, die den Eindruck haben, sie könnten alles in gleichem Maß erreichen und machen wie die Männer, sind genauso gefordert.  Sie sollten es bewusst vermeiden, sich in klassische Rollenklischees stecken zu lassen oder diese freiwillig zu übernehmen. Wenn sie gleichwertig sind, ist ein Nein kein Problem. Beweisen wir doch einfach mit intelligentem und respektvollem Denken und Handeln, dass wir reif dafür sind.

Ich weiß, dass schöne Körper, nackte Haut und Erotik werbewirksam sind und allem Anschein nach den Verkaufserfolg steigern. Vielleicht ein Gedanke für die Entscheider und Entscheiderinnen: Auch Männer haben schöne Körper (oder?) und auch Frauen  sind Sportfans und haben Kaufkraft. Wie wäre es, wenn die oben beschriebene Aufgabe sowohl von jungen Frauen als auch Männern in vergleichbarem Outfit (erotische Wirkung) wahrgenommen wird?

Das wäre vielleicht immer noch sexistisch aber zumindest gleichberechtigt.


Um Frauen dabei zu unterstützen, sich im Männer-dominierten Business-Umfeldzu behaupten, bietet grow.up. spezielle Trainings an, beispielsweise dieses:

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