Sie kennen das – um wettbewerbsfähig und wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben, muss das Tempo angezogen werden. Zunehmend volatile und unvorhersehbare Marktdynamiken erfordern von Unternehmen eine spontane Reaktionsfähigkeit, maximale Flexibilität und einen zielgerichteten Umgang mit einer hohen Komplexität an Informationen. Wird die Drehzahl erhöht, können unerwartete Leistungsschübe die Folge sein, doch gleichzeitig steigt auch die Gefahr, dass gesamte Unternehmen überhitzen. Eine andauernde Überlastung der Mitarbeitenden führt dann zu Demotivation und Ausfallzeiten aufgrund eines hohen Krankenstands. In diesem Beitrag befassen wir uns deshalb mit der psychischen Gesundheit als strategischem Ziel der Führung, um die Leistungsfähigkeit des Unternehmens auch in rasanten Zeiten sicherzustellen.
Erfahren Sie,
• wie die psychische Gesundheit den Unternehmenserfolg signifikant steigert,
• warum gesunde Mitarbeitende eine gesunde Führung brauchen und
• wie Sie gesund führen – sowohl Ihr Team als auch sich selbst.
Die Welt scheint sich immer schneller zu drehen. Die zunehmende Digitalisierung unseres Lebens ermöglicht uns maximale Vernetzung, grenzenlose Kommunikation und Zugang zu einem immensen Speicher an Wissen und Informationen. Zeitzonen und Standorte spielen oftmals nur noch Nebenrollen auf der Bühne einer voranschreitenden Globalisierung. Für viele Unternehmen eröffnen diese technologischen Entwicklungen beträchtliche Wachstumschancen und Optimierungspotenziale, wie zum Beispiel im Customer Relationship Management: Mittlerweile können Unternehmen ohne Weiteres weltweit mit (potenziellen) Kunden über soziale Netzwerke kommunizieren und Userdaten nutzen, um ihre Produkte an die individuellen Bedarfe ihrer Zielgruppen anzupassen. Eine zunehmend an Bedeutung gewinnende Bedingung, um die Komplexität an Informationen für seine unternehmerischen Vorhaben nutzbar zu machen, heißt Agilität. Agiles Arbeiten erfordert die Abkehr von starren Prozessen und Strukturen zugunsten einer flexiblen Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen am Markt und die Möglichkeit, sich an neue Rahmenbedingungen anzupassen. Und zwar am besten so schnell wie möglich…
Achtung, Beschleunigungsfalle!… denn wenn Sie es nicht tun, tut es der Wettbewerber.
So vielversprechend die Digitalisierung für die Wirtschaft auch sein mag; in Anbetracht der rasanten Geschwindigkeit der modernen Marktdynamiken und dem damit einhergehenden (Innovations-/ Konkurrenz-/Preis-/…)Druck ist die Gefahr durchaus gegeben, dass Unternehmen in die „Beschleunigungsfalle“ tappen. „Opfer“ sind daran zu erkennen, dass sie ihre Mitarbeitenden anhaltend mit Forderungen nach „Schneller!“ und „Mehr!“ überlasten, ohne die dafür nötigen Ressourcen aufzustocken. Die Mitarbeitenden bewegen sich dann in einem dauerhaften Zustand geistiger Anspannung, der anfangs noch Motor für (Höchst-)Leistung sein kann, aber ohne Aussicht auf Erholung zu Demotivation, Energielosigkeit und einen erhöhten Krankenstand führt. Keine guten Voraussetzungen für Leistung, Kreativität, Innovation und agiles Handeln.
Die Bedeutung von psychischer Gesundheit für den Unternehmenserfolg
Um die Leistungsfähigkeit sicherzustellen, die die modernen wirtschaftlichen Herausforderungen in besonderem Maße erfordern, ist der Erhalt und die Förderung der Gesundheit aller Mitarbeitenden im Unternehmen also von zentraler Bedeutung. Ein von Komplexität und Volatilität geprägtes Arbeitsumfeld und die damit zusammenhängenden verstärkten Anforderungen an die kognitive Leistungsfähigkeit, verschieben dabei den Fokus von der physischen Gesundheit hin zur psychischen Gesundheit.
Der Gesetzgeber hat bereits auf diese Entwicklungen reagiert und die im Arbeitsschutz verankerte betriebliche Gefährdungsbeurteilung um die Berücksichtigung psychischer Belastungen ergänzt. Der Arbeitgeber ist damit verpflichtet, auch gesundheitliche Gefährdungen psychischen Ursprungs am Arbeitsplatz zu ermitteln und Maßnahmen zu ergreifen, um diese so gering wie möglich zu halten.
Im Rahmen der „Top Job“-Studie hat die Universität St. Gallen den Nutzen eines strategischen Managements der psychischen Gesundheit im Unternehmen einmal quantifiziert: laut den Ergebnissen sind psychisch gesunde Mitarbeitende im Vergleich zu solchen mit psychischen Problemen insgesamt zufriedener (+30%), identifizieren sich mehr mit dem Unternehmen (+54%) und zeigen eine höhere Bindung (+26%). Negative Variablen, wie etwa die Kündigungsabsicht (-75%) oder der Resignationsgrad (-52%) sinken dagegen signifikant ab. Organisationen mit mental gesunden Mitarbeitenden verzeichnen außerdem ein Plus von 15% hinsichtlich ihrer gesamten Unternehmensleistung. Es gibt also einige Argumente, die dafür sprechen, die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu erhalten und zu fördern.
Gesunde Mitarbeitende brauchen gesunde Führung
Bei der Fokussierung auf die Gesundheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommt Führungskräften eine besondere Bedeutung zu, denn durch ihren Führungsstil prägen sie entscheidend die im Unternehmen vorhandenen Rahmenbedingungen für eine fordernde und gleichzeitig angenehme Arbeitsatmosphäre. Dabei stellen Wertschätzung und Anerkennung zentrale Elemente dar. Laut den Autorinnen der Studie der Universität St. Gallen, zeichnet sich eine gesunde Führung dadurch aus, dass…
…Führungskräfte achtsam mit sich selbst und ihren Mitarbeitenden umgehen. Sie merken, wenn Mitarbeitende Pausen brauchen, achten auf gesundheitliche Warnsignale, fühlen sich verantwortlich für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden und sind ein gutes Vorbild in puncto Gesundheit.
Verantwortlich für die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden? Das klingt vielleicht zunächst nach einer der vielen idealistischen Erwartungen an Führungskräfte, die mal wieder zur eigentlichen Führungsaufgabe on top dazu kommen und erfüllt werden können, „wenn mal Zeit dafür da ist“. Dabei ist eine gesunde Führung jedoch nicht als eine weitere von unzähligen Zusatzanforderungen an Führungskräfte zu verstehen, sondern sie ist schlicht kongruent mit guter Führung. Denn sie schafft es, die Leistungsbereitschaft der Menschen innerhalb einer Organisation zu stärken, ohne übermäßigen Druck auszuüben und gleichzeitig mit Freude am Tun zu verbinden.
Gesunde Führung – wie macht man’s gut?
Gesundes Führen bedarf keiner revolutionären Theorie oder neuartigen Modellen aus der modernen Führungsliteratur, sondern legt das Augenmerk nur noch einmal etwas bewusster auf etablierte Instrumente, die Führungskräften ohnehin bekannt sein dürften. Handlungsoptionen ergeben sich dabei auf drei verschiedenen Ebenen: der persönlichen, sozialen, und organisatorischen Ebene. Je nach situativer Anforderung sollten die einzelnen oder die Kombination der verschiedenen Ebenen das Handeln der Führungskraft leiten.
Gesunde Führung auf der persönlichen Ebene
1. Gute Leistung honorieren: Mitarbeitende wünschen sich Anerkennung für ihren Einsatz, insbesondere in anstrengenden Phasen. Beschäftigte, die sich wertgeschätzt fühlen, empfinden weniger Stress. Ein einfaches Mittel, um Wertschätzung auszudrücken, ist Lob. Sind Führungskräfte mit einer Leistung zufrieden, sollten sie dies auch sagen. Am besten persönlich und nicht bloß per E-Mail.
2. Privatsphäre akzeptieren: Wer leisten soll, muss auch Energie tanken dürfen! Deshalb ist es wichtig, dass Führungskräfte den Feierabend ihrer Mitarbeitenden respektieren. Das heißt nicht unbedingt, dass nach 17.00 Uhr zwingend Anrufverbot herrschen muss. Wichtig ist, dass Führungskraft und Mitarbeiter/in eine gemeinsame Vereinbarung bezüglich der Erreichbarkeit treffen.
3. Sinn vermitteln: Allen Mitarbeitenden gleichermaßen eine tiefe Bedeutung in der Arbeit zu vermitteln ist schwer – schließlich definiert jeder Mensch individuell, was Sinnhaftigkeit für sie oder ihn persönlich ausmacht. Dennoch lohnt sich die Definition gemeinsamer, richtungsweisender Ziele, an die die Gemeinschaft glaubt und auf die sie hinarbeiten kann. Denn nichts wirkt motivierender, als die persönliche Identifikation mit der eigenen Tätigkeit, auch in Phasen von vorübergehendem Stress und Unsicherheit.
Gesunde Führung auf der sozialen Ebene
4. Regelmäßige Teamsitzungen etablieren: Ein regelmäßiger Austausch dient nicht nur der Vermeidung von Missverständnissen. Gemeinsame Teammeetings tragen zur internen Transparenz bei („Wer macht eigentlich gerade was?“), fördern die Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden („Kann mir jemand dabei helfen bzw. mir etwas abnehmen?“) und geben Raum, um das aktuelle Befinden im Team zu besprechen. Solche Termine helfen den Personen, sich als Team, nicht bloß als Konglomerat von Einzelkämpfern zu verstehen.
5. Ein WIR-Gefühl erzeugen: Eine richtig gute Teamleistung kann nur entstehen, wenn die Kolleginnen und Kollegen kooperieren anstatt zu konkurrieren. Deshalb ist es sinnvoll, vertrauensbildende Maßnahmen zu initiieren – diese zielen auf Offenheit, Echtheit, gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung. Dabei ist eine Bandbreite vom gemeinsamen Mittagessen, über sportliche Betätigungen beim Firmenfußball bis hin zum jährlichen Teamausflug denkbar.
6. Konflikte aktiv angehen: Es ist nicht die Aufgabe von Führungskräften, bei jedem Streit unter Mitarbeitenden sofort einzugreifen. Diese sollen schließlich auch die Möglichkeit haben, die Situation selbst zu lösen. Führt dies jedoch nicht zum Erfolg bzw. sollten Mitarbeitende die Führungskraft explizit um Hilfe bitten, kann sie sich einschalten. Führungskräfte sollten dann mit den Beteiligten einzeln reden und sich die verschiedenen Sichtweisen erklären lassen. Oftmals wird so ein Missverständnis deutlich und der Streit kann geschlichtet werden. Wenn die Einzelgespräche keinen Lösungserfolg erbringen, sollten die Parteien gemeinsam an einen Tisch gebracht werden.
Gesunde Führung auf der organisatorischen Ebene
7. Informationen verständlich kommunizieren: Bevor Informationen an Mitarbeitende weitergegeben werden können, sollten diese entsprechend auf- und vorbereitet werden. Bei komplexen Informationen ist es besser, wenn Führungskräfte im Beisein der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters eine kurze Erläuterung zu ihren Notizen geben. Generell gilt: ein Auftrag sollte klar und verständlich formuliert werden. Außerdem braucht es ein klares Ziel, auf das die Mitarbeitenden hinarbeiten können. Wenn die Aufgabe in einen Gesamtkontext eingebettet ist, verleiht dies einzelnen Teilaufgaben zusätzlich einen tieferen Sinn.
8. Passgenau delegieren: Führungskräfte sollten ihren Mitarbeitenden Aufgaben entsprechend ihrer Motivation und ihren Kompetenzen übertragen. Mit einer Rückmeldung zu einzelnen Teilergebnissen wird es der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter ermöglicht, die eigenen Kompetenzen einzuschätzen und gezielt weiterzuentwickeln. Bei leistungsstarken Mitarbeitenden wird vor allem auch die Delegation komplexer Aufgaben mit einer hohen Eigenverantwortung als wertschätzend empfunden. Dies erfordert jedoch auch die Akzeptanz der Führungskraft, ein gewisses Niveau an Entscheidungsbefugnis und Macht abzugeben.
9. Handlungsfreiheiten ermöglichen: Gesetzt dem Fall, dass Führungskräfte und Mitarbeitende auf einer Vertrauensbasis zusammenarbeiten und eine hohe Leistungsbereitschaft im Team vorhanden ist, ist eine relativ autonome Gestaltung von den Arbeitsabläufen und –zeiten durch die Mitarbeitenden selbst denkbar. Dies erfordert jedoch eine genaue Definition von Leitplanken als Rahmen für den Handlungsspielraum. Das Vorhandensein von Wahlmöglichkeiten gewährleistet eine höhere Selbstbestimmung und damit eine verbesserte Integration der Arbeit in das Leben der Mitarbeitenden. Das Erleben des „Müssens“ wird verringert und in diesem Zuge auch Stress reduziert.
Gesunder Chef – gesundes Team
Nun beeinflusst nicht nur der Stil der Führung die psychische Gesundheit von Mitarbeitenden; es gibt noch einen weiteren entscheidenden Faktor: nämlich, inwiefern die Führungskraft mit ihrer eigenen Gesundheit umgeht. Die Führungskraft hat auch in Gesundheitsfragen eine Vorbildfunktion inne und kann deshalb das Prinzip der gesunden Führung nur glaubwürdig an die eigenen Mitarbeitenden vermitteln, wenn sie sich selbst gesund führt. Chefs, die krank zur Arbeit kommen, setzen automatisch implizite Maßstäbe an die Leistungsbereitschaft ihrer Mitarbeitenden auch im Krankheitsfall und können damit ein ernsthaftes Interesse an der Gesundheit ihres Teams nicht authentisch repräsentieren. Die Autorinnen der Top Job-Studie stellen heraus, dass Führungskräfte, die selbst nicht auf ihre Gesundheit achten, dies auch nicht bei ihren Mitarbeitenden tun, zum Teil auch, weil sie gar nicht in der Lage sind, Warnsignale frühzeitig zu erkennen.
In Anbetracht der Verantwortung, die Führungskräfte ansteigend mit ihrer Managementebene tragen, ist ein gesunder Umgang mit sich selbst und die Einhaltung regelmäßiger Regenerationsphasen nicht immer leicht zu bewerkstelligen. Nachfolgend finden Sie deshalb ein paar Anregungen, die Führungskräften ein wenig mehr Luft verschaffen können:
1. Reaktionen bewusst hinauszögern: Ein Großteil der Anfragen, die jeden Tag bei Führungskräften über diverse Kommunikationskanäle auf dem Schreibtisch landen, erfordert meist nicht zwingend eine sofortige Reaktion. Der Aufbau einer bewussten (auch zeitlichen) Distanz ermöglicht es, in Ruhe über wichtige Entscheidungen nachzudenken, Handlungsalternativen abzuwägen und überstürzte Aktionen zu vermeiden.
2. Das Frühwarnsystem Körper ernst nehmen: Auch im Gesundheitsverständnis der „westlichen Welt“ stößt die Einsicht, dass sich der körperliche und der geistige Zustand des Menschen gegenseitig beeinflussen, zunehmend auf Gehör. So kann sich Stress oftmals durch Anzeichen wie Kopfschmerzen oder Magenprobleme bemerkbar machen – sofern diese Symptome ernst genommen und richtig interpretiert werden. Um kognitiv leistungsfähig zu bleiben, sollten Führungskräfte deshalb auch während besonders arbeitsintensiver Phasen auf ihre vitalen Bedürfnisse Rücksicht nehmen, d.h. regelmäßig trinken, essen, körperlich aktiv sein und ausreichend schlafen.
3. Den Konzentrationsfokus schärfen: Eine nicht ganz einfache, aber äußerst effektive Aufgabe ist es, sich als Führungskraft trotz der Menge an parallel laufenden Projekten von den ständigen Sorgen um alle Baustellen gleichzeitig zu befreien. Auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen zu wollen, führt nur dazu, zwar überall irgendwie anwesend, aber eben nicht so richtig präsent zu sein. Dabei hilft es, sich immer wieder neu ins Gedächtnis zu rufen, in welcher Situation man sich im Moment befindet – sei es im Kundentermin, der Teamsitzung oder im Telefonat – und die störenden Gedanken bewusst beiseite zu schieben. Es gilt: Eins nach dem anderen.
4. Dem ewigen Vergleichen ein Ende setzen: Führungskräfte haben auf ihrem Weg zu ihrer aktuellen Position vermutlich schon so manchem Konkurrenzdruck Widerstand geleistet. Die Motivation, allen anderen etwas beweisen zu wollen, kann über einen Zeitraum zu Höchstleistungen anspornen, auf Dauer aber ein Gefühl von Rastlosigkeit hinterlassen. Statusstreben und der damit einhergehende, permanente soziale Vergleich mit anderen sind dabei oft die Grundlage für überzogene Erwartungshaltungen an seine eigene Leistungsfähigkeit. Es ist deshalb ratsam, der Meinung anderer keinen allzu großen Stellenwert beizumessen und seine Errungenschaften im Rahmen der individuellen Machbarkeit wertzuschätzen. Auch wenn Macht haben Spaß macht, hilft die gelegentliche Erinnerung daran, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen.
Link zur Studie: http://www.compasso.ch/cm_data/de_Gesunde_Fuehrung_-_Wie_Unternehmen_eines_gesunde_Performancelkultur_entwickeln.pdf