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Rückschläge. Kein so schönes Thema, oder? Jedoch lohnt es sich, dass Sie sich damit befassen, denn Rückschläge oder Niederlagen erfahren wir in sämtlichen Lebensbereichen und sie beeinflussen unser weiteres Handeln. Dabei spielt der Bereich, in dem uns ein Rückschlag treffen kann, eine nicht so große Rolle. Eine Niederlage im Job, im Privaten, im Sport oder in der Beziehung zu anderen, ist gleichermaßen unerfreulich, wenn nicht sogar niederschmetternd und entmutigend.

Wir sind gescheitert …

Machen Sie sich doch kurz einmal Gedanken über eine Situation, in der Sie gescheitert sind, in der Sie einen Rückschlag erlitten haben oder eine Niederlage einstecken mussten. Ich vermute, dass jetzt, genau wie in der damaligen Situation, einige Gefühle bzw. Emotionen in Ihnen aufkommen. Diese haben dabei vermutlich einen etwas bitteren Beigeschmack – sind also eher negativ als positiv. Verständlich. Hatten wir uns das Ganze doch so schön vorgestellt, daraufhin gearbeitet oder trainiert, geplant, abgewogen und Handlungen eingeleitet. Und dann das … Wir scheitern. Rückschläge zerschlagen wortwörtlich unseren Plan, unseren Traum, unsere Vision oder Idee – alles war umsonst, all die Bemühungen und Arbeit haben sich nicht ausgezahlt, der Plan ist gescheitert.

Rückschläge und negative Affekte

Dass Rückschläge mit negativen Gefühlen einhergehen, ist völlig normal. Denn eine unerwartete, unerfreuliche Situation löst automatisch einfachste Gefühlsregungen, sog. Affekte, aus. Affekte werden in einem Teil des Gehirns lokalisiert, welcher nur zwischen positiv und negativ unterscheidet. Erfahren wir also einen Rückschlag oder läuft etwas nicht so wie wir uns das vorgestellt haben, bewertet unser Gehirn dieses relativ schnell als negativ. Man könnte sagen, dass unser Gehirn in dem Moment eine Art Fehlermeldung bekommt. Fehler wiederum stellen eine Bedrohung dar und eine Bedrohung wird als negativ bewertet. Das erklärt die negative Tönung von Misserfolgen, Niederlagen – eben von Rückschlägen.

Ein Hirngespinst – Die Auswirkung negativer Affekte

Nach einer neueren Theorie, der PSI-Theorie (Persönlichkeits-System-Interaktion Theorie) von Julius Kuhl, beeinflussen Affekte, Gefühle und Stimmungen die Aktivierung verschiedener Hirnareale und ihr Zusammenspiel. Durch negative oder ängstliche Gefühle wird dasjenige Teilsystem des Gehirns (verortet in der linken, hinteren Hemisphäre) aktiviert, welches die Aufmerksamkeit auf Neuartiges, Unerwartetes und eben auch auf Fehler lenkt. Dies führt zu einer Fokussierung auf Einzelheiten, welche aus dem Gesamtzusammenhang gelöst sind – man könnte auch sagen zu einem Heranzoomen des Fehlers oder des neuen, unerwarteten Aspektes. Wichtig ist dieser Prozess für die Erkennung von Gefahrensituationen – sozusagen als Alarmsystem.

Rückschlag – Alles war umsonst

Im Falle eines Rückschlages oder einer Niederlage passiert Folgendes. Die Niederlage geht, wie wir oben gesehen haben, meist mit negativen Affekten bzw. Gefühlen  (z. B. Entmutigung, Verzweiflung,  Ängstlichkeit, Traurigkeit) einher und löst somit das auf die Einzelheiten fokussierende Teilsystem des Gehirns aus. Die Komplexität der Situation, inklusive positiver Einzelheiten, ist nicht mehr im Fokus unserer Aufmerksamkeit. Unser innerer Blick richtet sich nur noch auf das Ereignis, welches die negativen Gefühle auslöste. Die Folge ist, dass wir zu Übertreibungen, wie „alles war umsonst“, neigen. Schaffen wir es nicht, die negativen Gefühle zu regulieren, verharren wir regelrecht in einer negativen Stimmung und schaffen es nicht, uns unsere bisherigen Erfolge oder erfolgreich gemeisterten Situationen ins Gedächtnis zu rufen. Wir bleiben also bei der bloßen Betrachtung des Fehlers bzw. der Niederlage: „Es ist schief gegangen, ich habe versagt, mein Plan ist gescheitert etc.“.

Gefühlsregulation – Es war nicht umsonst

„Die Frage ist nicht, was passiert ist, sondern was Sie daraus machen“. Diesen Spruch haben Sie sicherlich schon irgendwo mal gehört oder gelesen. Er passt wunderbar zu diesem Thema. Jedoch ist das „daraus machen“  leichter gesagt als getan. Ich möchte Ihnen auch erklären warum.

Die Abfolge von oben war: Rückschlag, negative Gefühle, linke Hirnhemisphäre, Fokus auf Einzelheiten, mögliche Verharrung in negativer Stimmung – soweit so gut. Um etwas aus dem Rückschlag zu machen, schnipsen wir nicht einfach mit dem Finger und schwupps ist die Sache gut. So einfach ist es leider nicht, denn um etwas aus der Niederlage machen zu können, d. h. aus ihr zu lernen und ihr etwas positives abzugewinnen, ist es notwendig, von dem Teilsystem der linken Hirnhemisphäre in ein anderes Teilsystem des Gehirns (verortet in der rechten, vorderen Hemisphäre) zu wechseln. Dieses Teilsystem der rechten Hemisphäre aktiviert psychische Funktionen, die ganzheitlich arbeiten und ermöglicht uns den Zugang zu unseren bisherigen positiven und negativen Erfahrungen, welche für die jetzige Situation relevant sein könnten. Ohne die ganzheitliche Betrachtung der Situation, fällt es uns schwer, einen Überblick über Handlungs- und Lösungsmöglichkeiten, sinnstiftende und kreative Ideen zu bekommen. Als Speicherort unserer Erfahrungen enthält dieses Teilsystem unsere Erinnerungen an vergangene schwierige Situationen oder negative Ereignisse, die wir irgendwie durchgestanden und gemeistert haben. Erst durch die Aktivierung dieses Bereiches können wir alle Erfahrungen, auch die negative Erfahrung des Niederschlags, in einen Gesamtkontext integrieren und aus negativen Erfahrungen lernen bzw. aus Rückschlägen „etwas machen“. Jedoch erfolgt der Wechsel in dieses Teilsystem der rechten Hemisphäre nicht immer automatisch. Das Verharren in negativer Stimmung blockiert oder erschwert den Wechsel in die rechte Hemisphäre.

Von links nach rechts durch Gefühlsregulation

Um Zugang zur rechten Hemisphäre zu erhalten, bedarf es einer Herunterregulierung, also Abschwächung, der negativen Gefühle. Wir müssen also unsere Gefühle Regulieren können. Aber wie? Eine Möglichkeit besteht darin, dass wir uns selbst beruhigen – also Ruhe bewahren. Zudem ist es wichtig, das Erlebnis bzw. den Rückschlag mit den dazugehörigen negativen Gefühlen an sich heran zu lassen, sich selbst damit zu konfrontieren, ihn nicht herunter zu spielen oder zu verdrängen, sondern ihn zu akzeptieren.

Verdrängen ist aber doch viel leichter – Wieso der ganze Aufwand?

Setzt man das Teilsystem der rechten Hemisphäre nicht zur Bewältigung negativer Erfahrungen ein und verdrängt das Geschehnis (belässt es also in der linken Hemisphäre), ist es nicht möglich, den Rückschlag in unser Gesamtsystem der Erfahrungen zu integrieren und somit aus Niederlagen, Misserfolgen, Fehlern und Rückschlägen zu lernen. Dies verhindert unser persönliches Wachstum und macht es uns nicht möglich,  dem negativen Erlebnis etwas Positives abzugewinnen. Das heißt, wir brauchen negative Erfahrungen, um zu lernen und zu wachsen. Zu denken, es sei verpönt zu scheitern oder Scheitern mit Versagen gleichzusetzen ist dementsprechend wirklich unklug.

Henry Ford z. B. brauchte zwei Anläufe, bis sein Unternehmen erfolgreich lief. Abraham Lincoln erlitt zwei Firmenpleiten, einen Nervenzusammenbruch und sechs Wahlniederlagen, bevor er US-Präsident wurde. Rückschläge gehören zum Leben.

Wir sollten also clever sein und uns unsere Niederschläge zu Nutzen machen. Das setzt jedoch voraus, das Risiko zu Scheitern in Kauf zu nehmen. Das Verhalten, die Situationen, in denen wir scheitern könnten, zu meiden ist für den Selbstwert vorerst dienlich, für das persönliche Wachstum allerdings nicht. Es heißt wohl nicht umsonst „wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ – oder besser: wer nicht wagt, der nicht wächst.

In diesem Sinne: Scheitern Sie, scheitern Sie erneut, scheitern Sie besser.

Quellen

  • Storch, M., & Kuhl, J. (2011). Die Kraft aus dem selbst. Hans Huber: Bern.
  • Kuhl, J. (2005). PSI-Light – Eine neue Persönlichkeitstheorie. Digitales Manuskript. Verfügbar unter: http://www.psi-theorie.com/ [11.11.2016].

Diesen Beitrag hat Jessica Drescher während ihres Praktikums bei grow.up. verfasst.
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